Serena Ferrario - Lines Fiction ★ Zeichnung & Animation ★

Serena Ferrario

Lines Fiction: Trotz ihrer Materialfülle wirken deine großen Zeichnungsinstallationen atmosphärisch präzise komponiert und auf das Element des bewegten Bildes hin konzipiert. Wie beginnst du dein Projekt – mit Papier und Bleistift oder mit der Kamera?

Serena Ferrario: Bei mir ist es so, dass durchgehend medienübergreifende Prozesse stattfinden, die sich die ganze Zeit gegenseitig beeinflussen. Einen richtigen Beginn gibt es so gesehen eher nicht. Ich glaube ich habe das nie so richtig gemocht – dieses Gefühl: So jetzt leg ich los und fange an mir ein neues Projekt zu überlegen und zu visualisieren.
Es fühlt sich für mich stimmiger an, wenn ich mich von dem, was schon da ist und mich gerade sowieso beschäftigt, leiten lasse und das dann verbinde mit einem bald zur Verfügung stehenden Raum. Wenn ich weiß, da gibt es bald wieder eine „öffentliche“ Präsentationsoption, fängt – so gesehen – in mir ein Dialog mit imaginierten Anderen an.
Ab da führe ich diesen Dialog in Verbindung zu den dabei aufkommenden gesellschaftlichen Themen, die mir in dieser Zeit begegnen, und ab da springen mir gleichzeitig auch Bilder durch den Kopf.

In mir ist ja alles gespeichert, was ich gemacht habe und welche Filme sich in meinem Archiv befinden – manchmal gehe ich auch Skizzenbücher durch und finde plötzlich einen älteren Ansatz wieder spannend und versuche, diesen in Bezug zu aktuellen Ansätzen zu bringen. Wenn sich dann, um es konkreter zu machen, zum Beispiel eine ältere Zeichnung mit einem aktuellen Gedanken und einer von mir gedrehten Videoaufnahme zusammen findet – mir das im Jetzt immer sinnvoller erscheint, diese verschiedenen Ansätze und Bilder in Dialog treten zu lassen, dann gehe ich dem intensiv nach und fokussiere mich immer mehr auf diesen Weg. Je nachdem, wie zum Beispiel auch die Raumverhältnisse eines Ausstellungsraums sind, und welche Möglichkeiten es gibt, eine Arbeit zu machen, überlege ich mir eine auf diesen Raum angepasste Installationsform. Es muss nicht immer auch eine Videoinstallation werden. Wobei ich im Moment noch sehr stark mit dem Bewegtbild zusammen denke. Ich habe einfach in den letzten zehn Jahren sehr viel filmisches Material angesammelt und ich bin noch lange nicht fertig damit. Ich bin jedes Mal sehr gespannt und finde es nach wie vor aufregend, meine Filme in Bezug zu dem gezeichneten Werk zu setzen. Als ich anfing, mich in diese Richtung zu bewegen, erschloss sich für mich einiges, und dieses Vorgehen fing an, mir so viele Möglichkeiten zu bieten: Neues zu erforschen, zu erzählen und zu expermentieren. Ich liebe es eine gezeichnete Figur neben eine „reale im Film“ zu stellen.

Lines Fiction: Wie entwickelt sich deine Installation?

Serena Ferrario: Was meinen Umgang mit dem Material angeht: Ich zeichne zu Hause, unterwegs und im Atelier auf unterschiedlichen Flächen, Restpapieren, Pappen und eigentlich auf allem was gerade vor mir auftaucht. Parallel zeichne ich auch immer an größeren Zeichnungen ganz „klassisch“ auf größeren Papierbögen. Ich werfe auch nie eine Zeichnung weg, auch wenn mir öfter mal die Ergebnisse nicht sofort zusagen. Ich sehe dann immer ziemlich schnell einen Weg, damit weiter umzugehen. Ein ganz einfacher Weg ist für mich, die Arbeiten, also z.B. die gezeichneten Figuren und Elemente auszuschneiden. Ich mache das dann erstmal ohne groß zu überlegen, und dann, wenn ich alle Teilchen vor mir habe, fange ich an, diese im Raum oder auf anderen Arbeiten zu verteilen. Ich lasse sie frei herum tanzen, bis ich das Gefühl habe, dass alle einen neuen guten Platz für sich gefunden haben. So kann es eben auch sein, dass eine ältere Arbeit im Rahmen für mich wieder neu auflebt, weil sie jetzt diesen neuen „Freund“ an ihrer Seite hat. Mir macht es Spaß, es so zu sehen. Ich freue mich dann für alle, dass sie diese neue Erfahrung machen dürfen. Wenn dieser Prozess erst mal so stehen kann, widme ich mich erst wieder dem digitalen Bild und dem Videoarchiv und mache mir Notizen zu Filmideen. Im Hinterkopf habe ich natürlich auch noch die gerade erlebte Erfahrung und die dabei entstanden Bilder mit dem analogen Material, und das beeinflusst stark meine Filmauswahl.

Und so geht das dann hin und her und am Ende – das „Ende“ ist meist durch einen Ausstellungstermin bestimmt – steht da ein Bühnenstück aus all diesen Charakteren und dem zusammen entwickelten Bühnenbild. So denke ich also, könnte man mein Vorgehen und die Installationen beschreiben.

Lines Fiction: Behält eine Installation immer ihre Gestalt oder verändert sie sich, je nach Ausstellungsort?

Serena Ferrario: Das ist noch nie passiert, dass ich eine Installation genau so, wie beim ersten Mal, woanders aufgebaut habe. Ich nehme zwar häufiger, wie eben schon beschrieben, Elemente immer wieder her und bringe sie mit neuen oder älteren zusammen. Ich habe das für mich mal so verstanden, dass sich mein Vorgehen so ähnlich verhält, wie es im Gehirn mit unseren Erinnerungen abläuft.
Soweit ich weiß, kann es sein, dass eine alte Erinnerung sich plötzlich mit einer jüngeren vermischt und dann ist die Geschichte irgendwie doch wieder ganz anders. Mal düsterer, mal leichter, mal ist ein Aspekt davon mehr im Vordergrund – mal ein anderer, mal hat die Erinnerung weniger Bedeutung und spielt nicht so eine große Rolle für den aktuellen Moment…

Manchmal denke ich, ich sollte für die Installationen eine Art Aufbauplan anfertigen – damit sie auch jemand anderes und ohne mich aufbauen könnte. Das wäre wahrscheinlich auf der einen Seite eine Erleichterung für mich und auf der anderen Seite würde es mich auch sehr langweilen. Denn der Aufbau ist für mich ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Manchmal beginnt sie ja dann erst wirklich Sinn für mich zu machen und ich freue mich immer sehr, wenn ich sehr lange in Ruhe alleine aufbauen kann. Dann verbindet sich alles auch wirklich mit dem Raum und mit den Ereignissen und Erlebnissen vor Ort. Ich beneide aber auch manchmal die KünstlerInnen, die nur kurz kommen und ihre Bilder hängen oder hängen lassen. Es sieht jedenfalls manchmal leichter aus. Ich übe mich gerade an einer Mischung aus diesen beiden Herangehensweisen.

serenaferrario.de


We Did This For Thousand Years
Part03 - 2018 -
Ausschnitt / Clip
Originalversion 33:30min
Sound: André Jüchems
Hamburger Kunsthalle 2021

Where the Drawings Live
Installationsansichten
Hamburger Kunsthalle 2021

serena ferrario

Installationsansicht - Where The Drawings Live -
Horst-Janssen-Grafikpreis
- Hamburger Kunsthalle, 2021
Video, Zeichnungen, Bedruckte Banner, Objekte, Holzsteg Videoprojektion: We Did This for Thousand Years

 

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Installationsansicht - Where The Drawings Live -

 

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Installationsansicht - Where The Drawings Live -

 

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Multiple Personality 02, 2021,
Bleistift und Aquarell auf Büttenpapier,
55x80cm

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