Kristinn Hardarsson
Lines Fiction: Man sagt, du siehst die Kunst als eine Art, dein Leben zu führen. Zeichnung bedeutet für dich also deine tägliche Erfahrung zu protokollieren?
Kristinn Hardarsson: Ich würde sagen, dass die Grenze zwischen meinem Alltag und meinem Kunstschaffen unbestimmt ist. Meine Kunst basiert häufig auf Beobachtungen und Aufzeichnungen des Lebens, das mich umgibt, sowohl meiner direkten, als auch der medial vermittelten Erlebnisse. Ich dokumentiere alles in Tagebüchern und Fotos, aber auch in der guten alten Handzeichnung, wenn ich reise oder mir unterwegs irgendwo etwas auffällt.
Lines Fiction: Grundsätzlich erinnern mich deine Zeichnungen und Skizzen an Comic und Graphic Novel. Wo siehst du selbst die Wurzeln deiner Kunst?
Kristinn Hardarsson: Ich weiß nicht so genau – Die Wurzeln spreizen sich in viele Richtungen. Aber da sind starke Tendenzen, die mir durch meine ganze Karriere hindurch geblieben sind. Vor allem zwei Tendenzen, die sogar vebunden sind: Die Hinwendung zur Erzählung und die Kombination von Bild und Text. Und das sind natürlich auch die grundlegenden Formen der Graphic Novel.
Lines Fiction: Deine Geschichte „Burglary, Three Earthworms and the Icelandic Potato” (Einbruch, drei Regenwürmer und die isländische Kartoffel) wurde zuerst als Wandbild in Island und dann als Wandzeichnung in der Galerie Kim Behm in Frankfurt und an anderen Orten gezeigt. Die Bilder geben unserer Neugierde lakonische Antworten. Ist dir unser Verständnis des Plots wichtig oder vor allem die Form der Präsentation als Bildergeschichte?
Kristinn Hardarsson: Es ist die Geschichte (oder die Geschichten), die den wichtigsten Aspekt darstellen, Text und Bild zusammen. Die Form dient dazu, ein Gefühl das ich vermitteln möchte zu transportieren. Diese Geschichte wurde kurz nach dem Finanzcrash in Island aufgezeichnet und präsentiert. Ich habe mit der allgemeinen Verunsicherung und der Nostalgie gearbeitet, die zu jener Zeit die Atmosphäre in Island, wo ich lebe, bestimmt und durchdrungen hat.
Der erzählerische Aspekt ist sehr stark in Island. Er ist stärker als ich ihn für mich lange Zeit zugeben wollte. Sogar meine abstrakten Arbeiten haben ein narratives Aroma.
Lines Fiction: Nun sind der Wandtext und der gesprochene Text der Animation in isländisch. Wie fällst du deine Entscheidung, zu synchronisieren oder nicht?
Kristinn Hardarsson: Ich schreibe meine Texte immer in Isländisch und lasse sie dann übersetzen, falls nötig. Der Grund ist einfach: Es ist die einzige Sprache, die ich mit Leichtigkeit schreiben kann. Daher schreiben auch Isländische Schriftsteller in ihrer Muttersprache, sie bekommen oft dieselbe Frage gestellt, glaube ich.
Das mit den Übersetzungen ist beschwerlich und teuer, und manchmal ist es technisch schwierig, die Übersetzung ins Bild zu quetschen, wie es manchmal so mit Comics geschieht. Jedenfalls fühlt sich für mich das Englisch schreiben im Kontext meiner Arbeit oberflächlich und falsch an.
Manchmal gibt es zwei sprachliche Versionen eines Werks. Die gedruckte Version von „Burglary …“ liegt in isländisch und englisch vor. Das Projekt „Designs for Postcards“ gibt es nur auf englisch, aber sobald es gedruckt wird, wird es auch eine isländische Version geben. Es ist also kein klarer Schnitt.
Deine Frage berührt auch ein anderes Feld: Warum macht man Kunst und für wen? Aber das ist zu komplex um es hier schnell zu beantworten.
Lines Fiction: Deine Animation hat eine ausdrücklich handgemachte Erscheinung. Hast du bewegte Bilder geschaffen um den Erzählfluss zu fördern?
Kristinn Hardarsson: Meine Arbeit hat im Allgemeinen eine Tendenz zum Handgemachten; eher unbewußt meine ich.
Dieses spezielle Werk, „The Fox“ ist in der Form von Kinderbuchliteratur gehalten und hat auch einerseits inhaltlich einiges davon – andererseits aber auch garnicht.
Der Einsatz bewegter Bilder hat mich schon geraume Zeit beschäftigt und ich suche nach Wegen, diesen Aspekt in mein Werk zu integrieren. Der narrative Gesichtspunkt ist natürlich interessant, aber nicht minder auch eine gewisse weitere Dimension, die entsteht, wenn man einer Zeichnung Bewegung hinzufügt.