Aline Helmcke - Lines Fiction ★ Zeichnung & Animation ★

Aline Helmcke über motion-drawing

motion-drawing.com

Lines Fiction: Aline, du bist seit langer Zeit schon Teil des Projekts Lines Fiction, in einem Interview hast du deine Arbeitsweise auf dieser Website vorgestellt und warst auch 2017 bei der Ausstellung Lines Fiction im Rahmen der Ausstellung Zeichenräume II in der Kunsthalle Hamburg dabei. Jetzt hast du, zu unser aller großen Freude, auch ein Projekt über motion-drawing im Netz vorgestellt:  
Dein Projekt trägt die Zeichnung schon im Titel, du stellst demnach künstlerische Ansätze vor, die explizit die Handzeichnung ins bewegte Bild übersetzen?

Aline Helmcke Ja das stimmt Bettina, ich interessiere mich schon seit langem dafür, wie Zeichnerinnen und Zeichner sich dem Bewegtbild nähern, also ihre Zeichnungen in Film übersetzen. Dabei kann es sich sowohl um handgezeichnete analoge wie auch digitale Zeichnungen handeln, um das Arbeiten ohne, mit oder auf Papier, aber auch um programmierte Linien – das hängt ganz von der jeweiligen künstlerischen Herangehensweise ab. Die interessiert mich, denn sie ist bei vielen Autorenfilmemacher*innen der Startpunkt, aus dem heraus sie ihre Filmideen und eigenen Strategien für das Animieren entwickeln. Ein weiterer Aspekt, den ich untersuche ist, in welchem Verhältnis die bewegte Zeichnung zur Dramaturgie des Films steht. Denn in den gezeichneten Filmen, die mich interessieren, ist die Zeichnung kein rein ästhetisches Mittel. Sie gestaltet den Verlauf des Films aktiv mit. Es gibt also einen Bezug zwischen dem Zeichenprozess und dem narrativen Kern eines Films, und das schaue ich mir genauer an. Ein wichtiges Werkzeug dabei sind die Interviews mit den Künstler*innen, die ich auf meinem Blog vorstelle. Ihre Art des Filme-Machens scheint sich in mancherlei Hinsicht von Produktionsabläufen zu unterscheiden, wie sie für große Zeichentrickfilmproduktionen (z.B. Kinofilme oder Serien) charakteristisch sind. Aber es lohnt sich genauer hinzuschauen, denn sowohl gezeichnete Autorenfilme als auch kommerzielle Trickfilmproduktionen sind nicht immer gleich strukturiert.

Lines Fiction: Du selbst hast in London am Royal College of Art Animation studiert und dann lange an der Bauhaus-Universität in Weimar experimentelle Animation im Studiengang Medienkunst/Mediengestaltung gelehrt. Vermisst du in der Kunstwelt die akademische Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen Zeichentrickfilm?

Aline Helmcke Ja, da gibt es meiner Ansicht nach einen blinden Fleck, insbesondere im deutschsprachigen Raum. Wenn das Wort „Animation“ oder „Zeichentrick“ fällt, haben viele, selbst im akademischen Feld, nach wie vor bestimmte Bilder oder einen ganz bestimmten Zeichenstil im Kopf. Andere wiederum würden künstlerische Zeichenfilme nicht als Animationen beschreiben, wenn diese nicht das Ziel verfolgen, Bewegungsillusionen zu schaffen. Es ist erstaunlich, wie wenig Aufmerksamkeit es in der Kunstwelt und im akademischen Bereich gegenüber gezeichneten Filmen gibt. Das gilt insbesondere für die experimentelle bewegte Zeichnung, aber auch allgemein für den zeitgenössischen Zeichentrick als Forschungsgegenstand.

Lines Fiction: Stimmt! Als Forschungsgegenstand und in öffentlichen Sammlungen. Obwohl das bewegte Bild im 21. Jahrhundert in allen Alltagsmedien zum Standard wird, ist der Zeichentrick als Erweiterung der Zeichnung in kaum einem Kupferstichkabinett der Museen vertreten. Beim Thema Zeichnung geht es immernoch fast ausschließlich um Papier, obwohl der künstlerische Animationsfilm eine über hundertjährige Geschichte hat. Das ist wirklich eine Leerstelle.
Neben Interviews finden sich auf deinem Blog auch Essays zu künstlerischen Positionen

Aline Helmcke Die Interviews mit den Künstler*innen sind ein wichtiger Bestandteil des Blogs, und in dieser Hinsicht gibt es Überschneidungen mit anderen Plattformen wie linesfiction oder auch Edwin Rostron’s Edge of Frame, ein weiterer Blog über experimentelle Animation, von dem ich ein großer Fan bin. Darüber hinaus stelle ich Essays ein, in denen ich auf die besondere Wirkungsweise der Filme eingehe. Und schließlich gibt es weitere Rubriken wie das Artist Directory und Veranstaltungshinweise zu Ausstellungen, Filmscreenings und Konferenzen, die in dem thematischen Zusammenhang interessant sind. Ergänzt werden diese seit kurzem von eigens kuratierten Filmscreenings und Veranstaltungen, an denen ich mit Beiträgen beteiligt bin – wie zuletzt die Konferenz der AG Animation „Dimensions in Animation“ in Luzern oder die Filmabende „Zeichnung in Bewegung“ im /tmp in Minden, wo linesfiction und motion-drawing das erste Mal zusammen in Erscheinung getreten sind.

Lines Fiction: Und im Netzwerk um die künstlerischen Animationen selbst, hast du da Wünsche und Visionen?

Aline Helmcke Es ist eine echte Bereicherung, die Künstler*innen und ihre Arbeiten zusammen mit meinen Entdeckungen und Beobachtungen in diesem thematischen Feld vorstellen zu können – obwohl ich mich selbst nach wie vor mehr als Künstlerin denn als Kuratorin oder gar Akademikerin sehe. Das Schönste ist zu merken, dass es ein Interesse für diese Filme gibt und dass die Filmemacher*innen meinen Ideen gegenüber aufgeschlossen sind. Eine Motivation neben der Weiterführung des Blogs ist also: offline gehen und die Filme auf der Leinwand zeigen, denn da gehören sie hin! In Kinos und an Orte der Kunst. Ich hätte Lust, zusammen mit weiteren Kolleg*innen Veranstaltungsformate zu planen, die alleine vielleicht nicht so einfach zu stemmen sind. Also: mal schauen und – wer weiß, was noch passiert!

Lines Fiction: und für alle, die mehr von deinem immer wieder neuen Projekt mehr erfahren und im Blog auf deiner Website stöbern wollen,
hier ist der Link:

motion-drawing.com

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