Jennifer Levonian - Lines Fiction ★ Zeichnung & Animation ★

Jennifer Levonian

Lines Fiction: Deine Animationen sind Geschichten vom Alltag in der City und von all seinen seltsamen und merkwürdigen Facetten. Mit Bleistift und Aquarellfarben intensivierst du die Szene und steigerst die Details bis zu einem fast surrealen Punkt. Wie kam es zu dieser Form des Geschichtenerzählens?

Jennifer Levonian: Bisher waren alle meine Animationen wenigstens zum Teil autobiografisch.
Die Handlung von The Oven Sky (2011) ist angesiedelt in dem sich rapide gentrifizierenden Kiez, in dem ich wohne. Die meisten der Häuser, Schilder und Nachbarn, die in dieser Animation auftauchen sind lebensnah geschildert. Die zentrale Geschichte – Neuankömmlinge setzen eine langjährige Bewohnerin unter Druck, um ihren Vorgarten als Hundeauslauf nutzen zu können – das ist erfunden, aber eine Geschichte, die ich mir durchaus real so vorstellen kann. Einige meiner Nachbarn haben ihren Garten mit einer Menge Nippes dekoriert, und ich habe Freunde sagen hören, sie wünschten, man würde diese privaten Bereiche in öffentliche umwandeln, denn frei zugänglicher Platz ist rar in der Gegend. Diese Bemerkungen haben mich zu einer Animation angeregt, die den subjektiven Geschmack ebenso thematisiert, wie die Weise, in der eine Interessensgruppe die Stadtverwaltung für sich vereinnahmen kann.

Lines Fiction: Heutzutage nehmen Animatoren, die komplexe Geschichten erzählen wollen, eine Abkürzung mithilfe eines Computerprogramms, das ihnen die Bewegungen und die Szene modelliert. Du aber entscheidest dich sogar gegen die traditionelle Zeichentricktechnik, die eine Illusion von flüssiger Bewegung erzeugen würde. Stattdessen zeigst du deutlich, dass du Scherenschnitte benutzt und schiebst sie auf der Szene herum. Du benutzt Photoshop nur dazu, Schatten hinzuzufügen, um die Ausschnitte zu betonen. Das ist eine eindeutige künstlerische Entscheidung. Hast du da Vorbilder?

Jennifer Levonian: Als ich in der Hochschule Malerei studierte belegte ich die Einführung in einen Animationskurs aus einer Laune heraus. Die erste Animationstechnik, die wir lernten war mit Scherenschnitten zu arbeiten, und da ich sowieso schon mit Wasserfarben auf Papier malte ging ich in mein Studio, zerschnitt ein paar meiner Bilder und begann, sie zu animieren.

Um meine Bilder zu animieren mache ich eine Serie von Digitalfotos meiner Scherenschnitte auf aquarellierten Hintergründen. Am Ende montiere ich alles zusammen in einer Sequenz mit Final Cut Pro.

Ich nutze Wasserfarben in diesen Animationen, da die transparente und flüssige Qualität der Pinselstriche mich an Bewegung erinnert. Die Scherenschnittpuppen sind ein bisschen so wie Hampelmänner, und ich denke, diese Referenz zu Kinderspielzeug in seiner ganzen unschuldigen Einfachheit bildet mit einem satirischen Unterton einen schönen Gegensatz zu den ernsten Themen der Animationen. Wenn ich die Arbeiten fotografiere passiert das meistens unter natürlichen Lichtverhältnissen, und ich versuche, mich nicht besonders drum zu kümmern, wenn das Sonnenlicht wandert.

Ich habe nichts gegen Computeranimation. Aber ich bevorzuge Animationen, die einen handgemachten Look haben. Da entsteht oft eine poetische Wärme in der Arbeit, wenn die Materialien des Zeichenprozesses unverhüllt bleiben.
Ich mag vor allem die Animationen von Joanna Quinn, Yuri Norstein und William Kentridge.

Lines Fiction: Deine Aquarelle sind sehr fein ausgearbeitet, sind sie für dich auch abseits der Verwendung als Material für die Animationen wichtig, zeigst du sie in Ausstellungen?

Jennifer Levonian: Obwohl ich in meiner künstlerischen Arbeit die Animationen als erstrangig ansehe habe ich die gezeichneten Hintergründe und Figuren in einigen Ausstellungen neben den Animationen gezeigt. Die Zeichnungen und Aquarelle sind der Teil des Prozesses, den ich am liebsten habe, und vermutlich verbringe ich 90% der Zeit in meinem Studio damit. Ich verfange mich komplett in den Details. Ich habe den Eindruck, wenn ich die Szene mit einer Unmenge Einzelheiten fülle bildet das einen Anreiz für die Betrachter, die Animation noch einmal sehen zu wollen.

www.jenniferlevonian.com

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