David Mackintosh - Lines Fiction ★ Zeichnung & Animation ★

David Mackintosh

Lines Fiction: Für dich als Zeichner ist Gouache auf Papier das Medium deiner Wahl. Einige deiner Zeichnungen sind schnelle Beobachtungen, andere erscheinen als visuelle Aphorismen, poetische Reflexionen, und in Ausstellungen ordnest du die Zeichnungen in Gruppen und speziellen Präsentationsobjekten. Du legst ausdrücklich Wert auf die Zeichnung als Forschungsinstrument und eigenständigen Ausdruck in der Bildenden Kunst. Wie kommst du zu deiner Überzeugung?

David Mackintosh: In einem Ausstellungskatalog aus den frühen 90er Jahren beschrieb der Ausstellungskurator und Künstler Michael Craig-Martin die Fähigkeit der Zeichnung, Zeiten und historische Zusammenhänge zu überschreiten. Seine Ausstellung zeigte Werke von Michelangelo und anderer „alter Meister“ zuammen mit zeitgenössischen Zeichnungen. In seinem Essay beschreibt Craig-Martin, wie die Zeichnung schon immer Charakteristika dessen hatte, was wir heute modern nennen, was aber oft übersehen wurde, da die Zeichnung als untergeordnetes zweitrangiges Werk galt. Er spricht davon, dass die Zeichnung näher am Keim der Idee liegt, näher am Geist des Künstlers. Ich sah die Ausstellung als junger Künstler, und sie hatte eine große Wirkung auf mich. Als jemand, der schon immer gezeichnet hat war es für mich wundervoll, Zeichnungen zu sehen, die im Zeitraum von Jahrhunderten entstanden sind und dennoch eindeutig eine gemeinsame Linie teilten. Plötzlich wurde mir klar, dass die Zeichnung das Zentrum meiner Arbeit ausmachen könnte. Ich fand diese Vorstellung sehr befreiend.

Ich finde es gut, dass ich beim Zeichnen ohne zu denken und beim Versuch, Dinge in meinem Unterbewußten ziellos aufzustöbern, doch suggestiv und forschend sein kann. Dass ich ohne Plan beginnen und mit vielen Einfällen enden kann.
Auf diese Weise überrasche ich mich die ganze Zeit selbst mit den Dingen, die ich da zeichne, es macht den ganzen Vorgang interessant und unvorhersehbar. Oft passiert es, dass die Themen, die ich aufsammle irgendwie belanglos erscheinen, regelrecht absurd, manchmal skurril und lächerlich. Es freut mich zu denken, dass Kunst auch lächerlich sein kann.
Ich mag es, meine Zeichnungen als freischwebende und im Moment erfasste Gedanken zu sehen, unmittelbar, ohne Anfang, Mitte und Ende.
Der Versuch, Zeichnungen zu machen die mit dem Unterbewußten in Beziehung treten, heißt automatisch, dass das Thema alles sein kann, und Dinge miteinbezieht, die im Allgemeinen übersehen und unberücksichtigt bleiben. Oder dass man an den unwahrscheinlichsten Orten sucht, wo sonst niemand auf die Idee käme, irgendetwas zu suchen.

Lines Fiction: Du benutzt immer Wasserfarbe zum Zeichnen, und für deine Zeichnungen, wie bei der Sammlung „Der Vorhang“ von 2011, nimmst du dünnes Papier, das sich beim Befeuchten kräuselt, was man sogar noch im Druck sehen kann. Das erzeugt eine gewisse Schwingung und gibt deinen Zeichnungen eine Ausstrahlung von Dringlichkeit und Eile.

David Mackintosh: Ich mache alle meine Zeichnungen sehr schnell, jede Zeichnung dauert nur Sekunden. Jedesmal zeichne ich viel auf Papier im A1-Format und werfe die misslungenen Stücke weg. Wenn ich mit einer Zeichnung zu weit gehen würde, bis zu dem Punkt, dass eine Erzählung überdeutlich wird oder wenn ich zu viel zeichne und zuviel Information preisgebe, dann würde das nicht gutgehen. Ich möchte etwas andeuten, es aber dem Betrachter erlauben, die Lücken zu füllen. In diesem Sinne sind meine Zeichnungen wie Zeichen, Hinweise auf mögliche Erzählungen. Ich stehe beim Zeichnen, mit dem Papier flach auf dem Tisch. Ich bevorzuge den Pinsel wegen seiner Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten, die ich mit einem einzigen Arbeitsgerät machen kann. Wasserfarbe erlaubt es mir, sehr schnell zu arbeiten, ich möchte jede Zeichnung in einer Haiku-artigen Konzentration erzeugen. Ölfarbe und Acryl sitzen auf dem Papier, während Gouache Teil des Papiers wird. Mit nasser Farbe wird das Papier zum Objekt, nicht mehr flach, sondern durch die Nässe bucklig und verzogen. Ich mag das Physische dieses Vorgangs, es gibt der Zeichnung eine weitere Ebene von Sinn und verhindert die allzu gradlinige bildliche Lesart. Obwohl ich Zeichnungen mache, die als Kunstform recht traditionell erscheinen mögen, möchte ich doch die Formen der Präsentation und Interpretation herausfordern. Ich versuche das, indem ich spezielle Rahmen zur Hängung und Präsentation der Zeichnungsgruppen baue und Zeichnungen in Animationen übersetze.

Lines Fiction: Dein Ausstellungskatalog The Curtain kann wie ein Daumenkino betrachtet werden, aber die Animation „The Curtain“ hat eine etwas andere Abfolge der Zeichnungen, die eine nicht gradlinige Erzählung mit einer gewissen träumerischen Zielflüchtigkeit der Perspektive erzeugt. Man wird in eine gedankenvolle Betrachtung entlassen und fragt sich, ob du ein Geheimnis bewahren willst?

David Mackintosh: Die Methode des inneren Bewußtseinsstromes ist der Ansatz all meiner künstlerischer Arbeit. Nach eine Session, in der ich gezeichnet habe, suche ich immer einige Zeichnungen heraus, die interessante Szenen in der Animation ausmachen würden. Ich zeichne sie dann noch einmal auf kleinerem A4-papier und erstelle all die begleitenden Zeichnungen, so dass die Bewegung eigentlich aus der ursprünglichen Zeichnung entsteht. Der Bewußtseinsstrom ist damit wohl vorbei. Ich plane die Zeitleiste, indem ich die kleinen Zeichnungen an der Studiowand arrangiere, bevor der Post-Produktions-Prozess beginnt. Ich verwende einen Scanner, um die Zeichnungen in den Computer zu bekommen und der Rest läuft dann ganz üblich ab.
Ich nehme an, mein Hauptziel ist es, dass die Animation aussieht wie die Zeichnung, wie bewegte Zeichnung, aber ich bin auch daran interessiert, damit noch einen ganz anderen Aspekt in die Galerie zu bringen, eine Animation ist etwas ganz anderes als eine Zeichnung auf Papier, sie hat Licht als einen Bestandteil und die Möglichkeit, andere Maßstäbe zu setzen.
Ich stelle mir vor, dass Psychoanalytiker diese Zeichnungen als aufschlussreich lesen würden und wirklich nach Geheimnissen suchen, mehr um sie aufzudecken, als um sie zu bewahren. Mich interessiert die psychoanalytische Lesart von Kunst, und manche Künstler, die ich am meisten bewundere, wurden immer wieder in Beziehung zum Psychoanalytischen gesetzt. Zum Beispiel Louise Bourgeois Arbeit in Mignon Nixons Buch ‘Fantastic Reality’ oder Robert Hughes Schriften über Goyas Caprichos und andere Essays über Magritte, Mason oder den Surrealismus im Allgemeinen.
Einige Zeichnungen von mir können unterschiedliche Bedeutung haben, und andere könnten enthüllen wer ich bin und was ich denke. Ich möchte, dass die Animationen ähnlich funktionieren. Obwohl eine Animation ihrem Wesen nach linear ist, versuche ich absichtlich, die zu offensichtlichen Bezüge zwischen den Szenen zu verhindern, um keine zu steife Erzählung entstehen zu lassen. Ich organisiere die Sequenz so, dass alle Szenen sowohl einen formalen, als auch einen inhaltlichen Bezug zueinander haben, so dass jeder naheliegende Sinn doch mehrdeutig bleibt. Ich nehme an, ich möchte dich glauben lassen, dass ich ein Geheimnis habe, und möglicherweise macht dies das Werk ja noch spannender.

www.davidmackintosh.com

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