Teresa Casanueva und Maria Otterbein

Lines Fiction: Eure Animationen zeigen abstrakte Vorgänge, die sowohl an technische Prozesse als
auch an organische Stoffe denken lassen. Könnt ihr schildern, was dem zugrunde liegt?

Maria Otterbein: Unsere Animationen bestehen im Wesentlichen aus vielen Ebenen, die miteinander kooperieren. In [IM]PULS Vol. 1 wird das Hauptmotiv mit einer Kombination aus Ereignissen umhüllt. Hierbei bilden sich Kontraste durch unterschiedliche Formensprachen, ihre Konsistenz, Eigenschaften und Strukturen. Elemente wachsen, verändern sich oder verschwinden. Sie zeigen vielfältige Bewegungsabläufe, denen wir zur Ergänzung differenzierte Klänge zugeordnet haben. Der pulsierende Rhythmus, den die Animation begleitet, wirkt sehr körperlich – In diesem Zusammenhang haben wir bereits von Herzrasen gehört. Eine weitere Dimension der Atmosphäre schaffen wir durch Licht, das zur Erzeugung von Räumlichkeit beiträgt.

Teresa Casanueva: Die ganze Arbeit basiert auf Phänomenen und Logik, die in der Natur vorhanden sind. Dieser unendliche Reichtum an Möglichkeiten ist für uns die Quelle und die Lehre, um ein eigenes Konstrukt und Bildsprache in der Arbeit zu entwickeln. Das Organische und das Maschinelle sind ein Verbund sowohl konzeptionell als auch funktional. Beide Bereiche folgen verschiedenen Prinzipien und sind in ihrem Ursprung unterschiedlich, aber es gibt Parallelen in Struktur, Funktionsweise und Anpassungsfähigkeiten. Es sind komplexe Systeme, die aus diversen miteinander verbundenen Einheiten bestehen und im Sinne eines gemeinsamen Zieles fungieren. Ich würde sagen, das sind Geflechte, die unsere gemeinsame Arbeit in der Art unseres Interagierens sehr gut beschreiben und, in etwa so fließen unsere aufeinander eingehenden Prozesse zusammen, um zu inspirieren und zu befruchten.

Lines Fiction: Ihr arbeitet gemeinsam an euren Animationen, wie lange arbeitet ihr schon zusammen?

Teresa Casanueva und Maria Otterbein: 2022 sind unsere ersten gemeinsamen Clips entstanden — kurze Sequenzen aus gefundenen Materialien in Stop Motion und digitale Animations-Ansätze. Diese Clips dienen uns als Referenz oder als eine Art digitales Skizzenbuch, auf das wir gernezurückgreifen. Uns verbindet eine Freundschaft und eine Leidenschaft für Animationen. Konkreter wurde die Zusammenarbeit, als wir auf den Open Call zur Teilnahme an der Lines Fiction Filmrolle aufmerksam wurden. Durch diesen Aufruf starteten wir unsere erste gemeinsame Reise in ein längeres Projekt. Aber auch in Zukunft haben wir noch einiges geplant – weitere Projekte befinden sich bereits in Arbeit.

Lines Fiction: Das freut uns ja besonders! Könnt ihr beschreiben, wie euch eure Zusammenarbeit weiterbringt und was euch daran besonders gefällt?

Teresa Casanueva: Für uns ist eine Zusammenarbeit eine sehr bereichernde Erfahrung. Da es in erster Linie um Kommunikation geht, ist der Prozess ein spannender und lebendiger Weg, den man gemeinsam beschreitet. Die dialogische Arbeit ist ein kreativer Austausch, der auf gegenseitigem Verständnis beruht. Und diese Dynamik, wo jede ihre Ideen einbringen und auf die Vorschläge der Anderen reagieren kann, setzt neue Impulse. Es ist so eine Art genüssliche Schlacht des Inputs, in dem zwei Perspektiven miteinander verschmelzen. Durch das Zusammenspiel entsteht ein neues Klangbild.

Maria Otterbein: Es ist besonders spannend, dass wir beide ohne bestehendes Storyboard in die Animation eintauchen. Wir sind im Fluss mit der visuellen Welt, indem wir gemeinsam und auch unabhängig voneinander Elemente erstellen und in die Komposition integrieren. Entscheidungen und Anpassungen werden besprochen, ausprobiert und erfordern oft Kompromisse. Die Zusammenarbeit verläuft ganz organisch, da uns der Prozess motiviert und Freude bereitet. Zudem bereichern unsere unterschiedlichen Hintergründe und Erfahrungen die Arbeit: Jede von uns bringt Fähigkeiten ein, von denen wir beide profitieren.

Lines Fiction: Als Künstlerinnen arbeitet ihr auch solo und in anderen Zusammenhängen?

Teresa Casanueva: Ich arbeite sowohl alleine als auch mal mit anderen in gemeinsamen Projekten. Es gibt sehr unterschiedliche Beweggründe, die zu einer Kooperation führen. Meine Solo-Projekte im Bereich der Animation sind eher abstrakt und haben einen sehr markanten grafischen Charakter. Hier ist das Medium Zeichnung sehr deutlich und stark vertreten. Das Zeichnen findet im Animationskontext einen Raum mit expansiven Möglichkeiten. Bewegung, Zeit,
Veränderung und Klang sind Eigenschaften, die das bewegte Bild anbietet. In meiner künstlerischen Arbeit, in den Bereichen Malerei, Grafik, Zeichnung und Objekte, spielen Zeit und Raum eine zentrale Rolle. Die Animation bietet mir eine ideale Umgebung, die durch die intrinsische Eigenschaft des Mediums eine neue Dimension des Ausdrucks verleiht.

Maria Otterbein: Als Künstlerin arbeite ich überwiegend einzeln oder, je nach Projekt, aktuell in enger Zusammenarbeit mit Teresa. Meine Ausdrucksformen umfassen digitale Medien wie Animation, 3D-Modellierung und Sounddesign. Letzteres ist für mich ein wichtiges ergänzendes Mittel, um Stimmungen zu transportieren, eine Atmosphäre zu schaffen und
Charakterisierungen hervorzuheben. In meinem Arbeitsprozess spielt die Bewegung eine zentrale Rolle. Aus dieser heraus generiere ich unter anderem digitale Bilder. Es sind im Grunde Standbilder, die ich in andere Kontexte einbinde oder weiter verfremde. Die Animationen, die vorzugsweise im 3D-Raum entstehen, dienen mir in diesem Fall als eine
Art Bildfundus und bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten. Ein weiteres Feld, in dem ich zur Zeit forsche, ist die virtuelle Welt. Vollständig in eine animierte Landschaft einzutauchen, ist eine tolle Erfahrung.

Lines Fiction: Beruhen die Animationen auf Zeichnungen?

Teresa Casanueva und Maria Otterbein:Unsere Animationen kombinieren sowohl digitale als auch analoge Techniken. Diese Herangehensweise ermöglicht uns, ein breites Spektrum an Ausdrucksformen zu erkunden. Das zeichnerische Medium ist immer sehr präsent. Arbeiten auf Papier werden eingescannt und weiterbearbeitet. Auch direkt in der Komposition erstellte zeichnerische und grafische Elemente animieren wir und fügen Eigenschaften hinzu.

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